Alle paar Jahre sieht man Politiker:innen in Großformat auf Wahlplakaten. Sie geben uns große Versprechen. Meistens halten sie diese nicht ein. Aktuell werben sie vor allem mit ihren Gesichtern oder mit Begriffen wie „Freiheit“, „Gerechtigkeit“ oder „Frieden“. Die bürgerliche Wahl wird so zu einem Spektakel. Ist die Freiheit von Christian Lindner auch unsere Freiheit? Ist eine minimale Erhöhung des Mindestlohns gerecht, wenn die Inflation in derselben Zeit viel höher war? Ist Frieden in Europa wichtiger als in Ländern wie dem Nahen Osten, Sudan, Libyen oder Kongo?
Die elitären Politiker:innen-Fratzen versuchen dennoch volksnah rüberzukommen und zeigen sich angeblich von ihrer privaten Seite: Mal laden sie zum Glühweintrinken ein, mal sieht man sie am Küchentisch plaudern. Man bekommt den Eindruck, dass keine Partei je an der Macht gewesen wäre. Alle tun so, als wären sie immer in der Opposition und werben mit Vorhaben, die sie selbst an der Regierung nicht umgesetzt haben.
Jede Wahl wird zur angeblichen Entscheidungswahl zwischen unterschiedlichen Welten, aber wenn man sich die letzten Jahrzehnte anschaut, dann haben sie alle ähnliche, in erster Linie arbeiter:innenfeindliche, Politik gemacht. Während die Regierungen wechseln, hat sich die Lage unserer Klasse nicht positiv entwickelt. Besonders die angeblich „linken“ Kräfte von Grünen und SPD haben die größten Raubzüge gegen uns durchgesetzt. Sei es die Agenda 2010 mit ihren Hartz4-Reformen oder der aktuelle gesellschaftliche Umbau zu einer aggressiven imperialistischen Außenpolitik.
Gegen konservative Regierungen gab es bei solchen großen Umstrukturierungen noch Widerstand. Die Argumentation mit Sachzwängen, konnten diese vermeintlich fortschrittlichen Parteien besser verkaufen. Aber auch die Partei Die Linke hat in den Landesregierungen nicht mit sonderlich sozialer Politik geglänzt: unter Bodo Ramelow in Thüringen wurden die meisten Menschen abgeschoben und die Berliner Landesregierung beteiligte sich selbst an dem Ausverkauf von städtischen Wohnungen, die dann später teuer zurückgekauft werden sollten. Ebenso gibt es in der Bremer Landesregierung unter linker Beteiligung einen massiven Stellenabbau in kommunalen Krankenhäusern.
Und auch erste Anzeichen von Landesregierungsbeteiligungen und das rassistische Abstimmungsverhalten im Bundestag von dem Sarah Wagenknecht-Fanklub provozieren eher ein Magengeschwür als auf ernstzunehmende Veränderungen hoffen zu lassen. Welche Entscheidungswahl soll es sein, wenn alle Kräfte an einem „Weiter so“ arbeiten oder sogar Angriffe auf unsere Klasse als Ganzes verschärfen wollen, indem sie beispielsweise gegen Minderheiten hetzen?
Im Wahlkampf werden fundamentale Unterschiede aufgezeigt, die später in der Regierung verwischt werden. Die Grünen haben Bauchschmerzen bei ihren Abschiebungen, aber ändern tun sie daran auch nichts. Sie sind es viel mehr, die den deutschen Imperialismus mit Begriffen wie einer feministischen Außenpolitik verklären und die aggressivste Kriegshetze an den Tag legen, aber vorher plakatierten, dass Waffen nicht in Krisenregionen exportiert werden sollten. Waren sie es nicht, die sich selbst noch vor einigen Jahren zu der Friedens-Partei schlechthin stilisierten?
…auch vom kleinen Übel, bekommt man das Kotzen
Kaum ist Wahlkampf, entdeckt auch die Partei Die Linke die linke Bewegung als Wahlvolk. Keine Demonstration ohne den Aufruf, sie zu wählen. Dies findet auch bei dem Einen oder der Anderen Anklang. Schnell wird damit argumentiert die Linke würde ja wichtig sein, weil sie Anfragen stelle und Geld locker machen würde. Aber ist dies wirklich so? Vereinzelt kann dies schon vorkommen. Wenn man aber schaut, wie die AFD die rechtsradikale Bewegung finanziert und aufbaut, dann fällt die linke Sozialdemokratie bei Weitem zurück.
Auch die neue Mitgliederwelle in die Linke wird nicht viel daran ändern. Es liegt in der Natur der linken Sozialdemokratie, dass sie sich als bessere Verwalter des Kapitalismus anbietet und damit immer die Interessen unserer Klasse verkaufen wird. Ein paar wenige linke Studierende der Geisteswissenschaften bekommen vielleicht durch die Rosa Luxemburg Stiftung Jobs, welche die in der Bewegung erworbenen Softskills individuell dann vergolden können. Langfristig hat die Annäherung an die Sozialdemokratie einer antagonistischen Bewegung nichts gebracht, sondern war häufig nur ein Ausstiegs- und Deradikalisierungsprogramm.
Es gibt auch noch die Argumentation, dass die Wahlen quasi ein Stimmungsbarometer der Gesellschaft wären und deshalb eine linke Kraft wichtig sei. Im Spätkapitalismus werden Stimmungen vor allem durch Medien und anderen ideologieproduzierenden Strukturen geschaffen. Dies verstärkt sich während des Wahlkampfes und verfälscht sozusagen das Ergebnis, weil es nur eine kurze Momentaufnahme ist. Auch die Nichtwähler:innen haben unterschiedliche Motive für ihr Vorgehen, welche sich nicht durch die Wahl abbilden lassen. Die vielen Migrant:innen ohne Stimmrecht werden bei dieser Erhebung auch nicht berücksichtigt.
Die Linke hat sich außerdem nicht klar gegen die Kriegsverbrechen Israels positioniert und sogar die „Antisemitismusresolution“ im Bundestag nicht abgelehnt, die vor allem Kritik am Staat Israel delegitimieren soll. Während eines Völkermordes haben sich immer wieder Spitzenpolitiker:innen mit dem rechtsradikalen Apartheidsstaat öffentlich solidarisiert. Immer wieder gibt es von dem Führungspersonal der Linkspartei auch Aussagen, die als Anbiederung an den deutschen Imperialismus zu verstehen sind. Einige der Linken Politiker:innen wollen die Ukraine weiter aufrüsten und damit den Krieg verlängern. Carola Rackete machte kürzlich im EU.Parlament ihrem Namen alle Ehre und stimmte dafür, die Einschränkungen des Einsatzes westlicher Waffen aufzuheben und Taurus Raketen an die Ukraine zu liefern. Vor einigen Jahren hatte schon Gregor Gysi dem US.Botschafter versichert, dass die Forderung die NATO abzuschaffen, nicht ernst gemeint sei. Dies hatte damals WikiLeaks enthüllt. Die Linkspartei scheint häufig links zu blinken und ist dann stets in Regierungsverantwortung (bisher auf Landesebene) bereit, alle ihre Grundsätze für den Machterhalt über Bord zu werfen, wie die anderen vermeintlichen linken Parteien eben auch.
Keine Illusion in den Wahlboykott
Der Parlamentarismus weckt Illusionen in das System, dies hat auch die Partei die Linke nicht geändert. Als Kommunist:innen machen wir aber keinen Wahlkampf für eben dieses System, welches wir eigentlich zerschlagen wollen. Wenn wir uns aber die letzten Jahrzehnte anschauen, dann hat weder die Wahlteilnahme von linken Gruppen Früchte getragen, noch der Wahlboykott. Letzteres ist einfach gesellschaftlich bedeutungslos.
Die herrschende Klasse kann ungebrochen das Bild vermitteln, dass sich durch die bürgerlichen Wahlen etwas Grundsätzliches verändern würde. Dies werden kleine Kampagnen nicht verändern. Vor allem wird der Wahlboykott als Heilsmittel verkauft und die Teilnahme stets abgelehnt. Dabei kann es in bestimmten Situationen in veränderten Zeiten schon Sinn machen sich an den Wahlen zu beteiligen. Aus einem Radikalismus wird ein Mittel aus der Hand gegeben, mit dem wir die eigene Kampfsituation schon noch ein Stück weit beeinträchtigen können.
Als Kommunist:innen sollten wir immer die konkrete Situation analysieren und daraus unser taktisches Handeln ableiten. Man kann auch ein taktisches Verhältnis zur linken Sozialdemokratie entwickeln und unter bestimmten Umständen schwankende Elemente weiter radikalisieren. Alles was uns dabei Hilft, eine revolutionäre Gegenmacht aufzubauen, sollte unternommen werden.
Wir verstehen uns nicht als Hüter:innen einer reinen Lehre, sondern als Revolutionär:innen, die sich auch mal die Hände schmutzig machen müssen und lästige Bündnisse schließen, um langfristig die Machtfrage stellen zu können. Deswegen brauchen wir schon heute Strukturen, die unterschiedliche Herangehensweisen entwickeln, welche natürlich nicht prinzipienlos sein dürfen. Zwischen einer Programmatik und einem taktischen Handeln bestehen Unterschiede. Dies zeigt sich insbesondere in dieser Bündnispolitik. Wollen wir aus einer reinen Szenepolitik ausbrechen, dann müssen wir auch mit Kräften zusammenarbeiten, die unser Ziel vielleicht nicht teilen. Unter der Bedingung, dass diese Zusammenarbeit unserem Vorhaben langfristig dient.
Wir glauben nicht, dass der Staat ein neutraler Ort ist, den wir nur erobern müssen. Der Gang durch die Institutionen war immer die Integration in diese. Daher gilt es nicht, den Kampf um diesen Staat sondern den entschiedenen Kampf gegen ihn zu führen. Dieser kann viele Formen annehmen, die wir in ihrer Gänze heute nicht beurteilen können und weshalb wir kein Kampffeld aus der Hand geben werden.
Den Klassenkampf führen
Während der Wahlboykott einen Antagonismus zu dem Bestehenden aufzeigt, was programmatisch richtig ist, so kränkelt er daran, dass die Akteur:innen sich damit außerhalb der Gesellschaft katapultieren. Die aktive Teilnahme an den Wahlen schafft hingegen Illusionen in das bürgerliche System.
Wir plädieren hingegen dafür, den Fokus nicht auf die Wahl zu richten und sich damit das Kampffeld aufdiktieren zu lassen. Vielmehr sollten wir für den täglichen Aufbau von Gegenmacht werben. Zu der kleinteiligen Arbeit im Stadtteil, Betrieb oder auch in den verschiedenen Teilbereichskämpfen gibt es leider keine Abkürzung. Das heißt nicht, dass man zu den Wahlen nicht arbeiten sollte. Die politisierte Stimmung sollten wir vielmehr für uns nutzen.
Nicht der Akt der Stimmenabgabe ist entscheidend, sondern wie wir die Menschen aktivieren und gemeinsam die Stimme langfristig erheben. Wir sagen nicht „wählt“ oder „wählt nicht“, sondern lasst uns zusammen kämpfen!
Stimme erheben, Gegenmacht aufbauen! Es gilt eine Welt zu gewinnen!
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